Die von Herbert Exenberger zusammengestellte Sammlung zur „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“ soll dahingehend ergänzt und zu einem Archiv erweitert werden, dass an Hand der Fülle sowie der Zugänglichkeit des Materials neue Einblicke und Ansätze in die Exilforschung, Literaturwissenschaft, Publizistik, Soziologie, Zeitgeschichte, Intellektuellenforschung und in die Erforschung der Arbeiterkultur, sowie Publikationen in diesem Bereich ermöglicht werden.
Ziel des Projekts ist es, die Geschichte, Literatur, die Ideen jener SchriftstellerInnengruppe, die sich 1933 angesichts von Faschismus und Nationalsozialismus zur „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“ zusammenschloss, studierbar und diskutierbar zu machen, und zwar durch die kommentierte Publikation möglichst vieler Dokumente im Internet, die Herausgabe neuer Anthologien der wichtigsten Texte, durch Veranstaltungen wie die Tagung zur Zerstörung der Arbeiterkultur. Das Projekt baut auf der abgeschlossenen archivalischen Aufarbeitung der Sammlung Exenberger auf, welche jedoch durch intensive Recherchen in anderen Beständen zu ergänzen ist.
Das Projekt will dazu beitragen, eine längst fällige Rückholung der Lebendigkeit der Intellektualität der Ersten Republik in das Bewusstsein der ÖsterreicherInnen des 21. Jahrhunderts zu ermöglichen. (Wien 2015)
In den 1980er Jahren begann Herbert Exenberger mit den Recherchen zu seiner umfangreichen Sammlung „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“, um die Geschichte der Vereinigung und die Biographien der zum Großteil während der NS-Zeit vertriebenen und ermordeten und teilweise nach 1945 in Vergessenheit geratenen österreichischen SchriftstellerInnen und Intellektuellen zu rekonstruieren und für die Nachwelt festzuhalten. Diese Recherchen erwiesen sich als überaus mühsam und aufwendig, wie man aus seiner Spurensuche / Korrespondenz zu den einzelnen SchriftstellerInnen ersehen kann. Dennoch hat er über Jahrzehnte sein Ziel verfolgt, die literarischen und kulturellen Aktivitäten der Vereinigung zu dokumentieren, die Daten, Fakten und Unterlagen zu den Biographien der einzelnen Mitglieder zusammenzutragen und ihre Werke zu sammeln. Die Sammlung Exenberger zur Vereinigung ist seit 2010 im Archiv der Theodor Kramer Gesellschaft aufbewahrt und wurde 2012/13 katalogisiert und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Sammlung umfasst Material und Unterlagen zu 55 österreichischen AutorInnen.
Von etlichen der SchriftstellerInnen existierte kein Nachlass, somit ist de facto die Sammlung Exenbergers der einzige Ort, wo gesammelt ist, was irgend von ihnen auffindbar war.
Da Herbert Exenberger heutige Recherchemöglichkeiten, wie das Internet, nicht zur Verfügung standen, war bzw. ist eine Reihe von Zusatzrecherchen, wie sich im Laufe der Aufarbeitung herausstellte, unbedingt notwendig, um die Bestände und die Informationen zu vervollständigen. Es ist somit unabdingbar, damit die Sammlung wirklich und möglichst bald als Referenzquelle für Forschung und für Literaturinteressierte dienen kann, dass die vorhandenen Materialien ergänzt, die zahlreichen Informationslücken geschlossen, Informationen überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden können.
Die „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“ wurde Anfang 1933 konstituiert. Als Zielsetzung des Vereins wurde angegeben: „Der Verein hat den Zweck, alle Schriftsteller, deren Weltanschauung der Sozialismus ist, zur geistigen und materiellen Förderung ihrer Arbeit zu sammeln und die Zusammenarbeit mit gleichartigen künstlerischen Vereinigungen herbeizuführen.“ Gleichzeitig diente die Vereinigung auch als Auffangorganisation für aus Ungarn oder Deutschland nach Österreich geflohene antifaschistische AutorInnen, wie Paul Keri, Oskar Maria Graf oder Hermynia Zur Mühlen.
Viele der österreichischen Mitglieder waren SchriftstellerInnen und JournalistInnen, MitarbeiterInnen der sozialdemokratischen Presse, wie der Arbeiter-Zeitung, doch gab es auch SoziologInnen, wie Maria Jahoda, den General Karl Schneller, GewerkschafterInnen und VolksbildnerInnen, wie Friedrich Hillegeist, Theodor Feldmann und Josef Luitpold Stern. Die Vereinigung sah sich als Sprecherin für die vom Faschismus unterdrückte und verfolgte Literatur. Am 2. März 1934 erfolgte die zwangsweise Auflösung der Vereinigung. Einige Mitglieder flüchteten vor der drohenden Verfolgung ins Ausland. Man schrieb im und für den Untergrund weiter. Nach 1938 wurden in ihrer großen Mehrheit die Mitglieder Opfer der NS-Verfolgung, mussten ins Ausland flüchten, wo etliche im Widerstand aktiv waren, viele wurden in den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nazis ermordet.
Literatur und Publizistik vieler sozialistischer und antifaschistischer AutorInnen und Intellektuellen konnte nach 1934 in Österreich nur mehr illegal, bestenfalls halblegal veröffentlicht werden. Eine ganze Reihe von Büchern ist bei „Säuberungen“ in der Zeit des „Ständestaates“ aus den Bibliotheksbeständen verschwunden, von den Nazis auf die „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ gesetzt worden. Der geistige Reichtum einer ganzen Periode „der Arbeiterliteratur in Österreich ist fast spurlos untergegangen“, formulierte etwa der Arbeiterdichter Willy Miksch, ein ehemaliges Mitglied der „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“, Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Es gab zahlreiche SchriftstellerInnen der Wiener Moderne in der Ersten Republik, des Roten Wien, aber auch aus den Bundesländern, die ein großes Werk hinterlassen haben und die sich durchaus mit den bekannten Namen von Intellektuellen dieser Zeit in Paris, New York oder London wie André Breton, E.E. Cummings oder Virginia Woolf messen können. Namen wie Else Feldmann oder Adele Jellinek sind hingegen erst in jüngerer Zeit wieder „entdeckt“ worden und oft nur Eingeweihten ein Begriff.
Die Sammlung bietet einerseits eine unvergleichliche Quelle an literarischem Reichtum und ist andererseits ein Zeugnis für das Ausmaß der Zerstörung von Arbeiterkultur und Intellektualität in Österreich durch Austrofaschismus und Nationalsozialismus. Doch so detailliert und umfangreich die Bestände, welche Herbert Exenberger in mehreren Jahrzehnten zusammengetragen hat, zu einem großen Teil auch sind, gibt es viele Lücken und eine Reihe von SchriftstellerInnen, zu denen es nur sehr wenige Unterlagen und nur ansatzweise Hinweise zu ihren Biographien, ihrem Schicksal als Vertriebene oder ihren Werken gibt.
So hat etwa die umfassende Dokumentation zu Heinrich Steinitz, zu seinem Leben und seinem Werk in der Sammlung Exenberger, die Möglichkeit und die Basis für die Biographie „Heinrich Steinitz – Anwalt und Poet“ von Christina Pal, die 2006 in Wien erschienen ist, geboten. Hingegen sind zu Autorinnen wie beispielsweise Lili Körber, Isa Strasser, Margarete Petrides oder Klara Blum nur sehr wenige Dokumente und Hinweise in der Sammlung Exenberger enthalten. Zu Klara Blum gibt es im Archiv der Theodor Kramer Gesellschaft drei Ordner an Material, welche z.B. in die Exenberger-Sammlung eingearbeitet werden.
Hier zu vertiefen und weiterzuforschen, biographische und bibliographische Angaben und Dokumente zu ergänzen, wäre ein wesentlicher Beitrag, um den allgemeinen Kanon der Literatur um einige bedeutende Namen österreichischer SchriftstellerInnen und DichterInnen zu erweitern, aber auch ein Beitrag zur Geschichtsforschung und zur Erforschung der Exil- und Widerstandsliteratur.
Zukunft der Vergangenheit ist ein Projekt in progress. Vielleicht wissen Sie mehr über einzelne AutorInnen, als wir. Für Anregungen (und natürlich auch Fragen und Anfragen) wenden Sie sich bitte an: Alexander Emanuely (emanuely[a]theodorkramer.at)